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Zwischen Lampenfieber und Blackout: Angst in Auswahlprozessen – und was Recruiter:innen und Bewerber:innen dagegen tun können

  • Autorenbild: Marcus
    Marcus
  • 10. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Als Recruiter:in sitzt man meistens auf der anderen Seite des Tisches. Interviews führen, Assessment Center moderieren, Tests bewerten – all das gehört zum Alltag. Dabei ist leicht zu vergessen, wie viel Stress solche Situationen auf der anderen Seite auslösen. Für viele Bewerber:innen sind Vorstellungsgespräche oder Auswahlverfahren nicht nur eine Chance, sondern zunächst vor allem eines: eine Quelle massiver Angstzustände.


In den letzten Jahren haben psychologische Studien und Erfahrungsberichte gleichermassen gezeigt: Angst ist einer der grössten Performance-Hemmer im Recruiting-Prozess. Sie beeinflusst nicht nur, wie Kandidat:innen auftreten, sondern auch, ob sie sich überhaupt bewerben. Das Thema verdient deshalb mehr Aufmerksamkeit – nicht nur von Bewerber:innen, sondern auch von uns, den Recruitern.


Stress auf der Bewerbungsbühne.
Stress auf der Bewerbungsbühne.

Warum Bewerbungsangst so stark wirkt


Angst ist ein natürlicher Mechanismus. In Situationen, die wir als bedrohlich einstufen – sei es ein Vorstellungsgespräch oder eine Präsentation –, schüttet der Körper Stresshormone aus. Herzschlag, Schweiss, trockener Mund, zittrige Hände: physiologische Reaktionen, die eigentlich auf Flucht oder Kampf vorbereiten sollen.


Im Bewerbungskontext führt das zu Problemen: Wer ständig daran denkt, keine Fehler zu machen, wirkt verkrampft. Wer mit Panik in ein Assessment-Center geht, zeigt nicht sein wahres Potenzial. Und nicht selten entscheiden diese wenigen Stunden über die gesamte Karriere.



Was Recruiter:innen tun können


Recruiting-Teams haben es in der Hand, Prozesse angstärmer zu gestalten – und das lohnt sich gleich doppelt: Kandidat:innen zeigen mehr von ihrem Potenzial und die Candidate Experience verbessert sich messbar.


1. Klarheit von Anfang an

Viele Ängste entstehen durch Unsicherheit. Schon in der Einladung können Recruiter:innen viel tun: Ablauf, Dauer, Teilnehmer:innen, Dresscode und Erwartungen konkret benennen. Wer weiss, was kommt, fühlt sich sicherer.


2. Bewerbungsunterlagen fair bewerten

Einige Kandidat:innen haben Angst, weil sie Lücken oder Brüche im Lebenslauf haben. Recruiter:innen können hier gezielt Signale senden: z. B. in Stellenausschreibungen betonen, dass auch unkonventionelle Werdegänge willkommen sind.


3. Positive Rahmenbedingungen schaffen

Ein freundlicher Empfang, ein kurzes Warm-up, ein Glas Wasser – kleine Gesten reduzieren Stress enorm. Der erste Eindruck entsteht nicht erst im Interview, sondern schon am Empfang.


4. Strukturierte Interviews einsetzen

Ein fester Fragenkatalog sorgt nicht nur für Fairness, sondern senkt auch Nervosität, weil die Kandidat:innen merken: Alle werden gleich behandelt.


5. Wertschätzendes Feedback geben

Eine Absage ohne Begründung hinterlässt Frust – und verstärkt die Angst vor künftigen Bewerbungen. Recruiter:innen können durch kurze, ehrliche Rückmeldungen enorm viel bewirken.


6. Angst ernst nehmen

Recruiter:innen sollten Nervosität nicht als Schwäche abtun. Wenn jemand sichtlich aufgeregt ist, hilft ein empathischer Satz wie: „Keine Sorge, viele sind im Gespräch nervös. Nehmen Sie sich gerne Zeit.“


7. Digitale Tools gezielt einsetzen

Auch KI-gestützte Assessments oder Videointerviews können Stress erzeugen – vor allem, wenn es unklar ist, wie sie funktionieren. Transparenz ist entscheidend: Kandidat:innen sollten wissen, was bewertet wird und wie.



Was Bewerbende selbst tun können


Natürlich bleibt die Verantwortung nicht allein bei den Unternehmen. Bewerber:innen haben viele Möglichkeiten, aktiv gegen Angst anzusteuern.


  • Atem- und Entspannungsübungen: Vor einem Gespräch bewusst tief atmen, Herzfrequenz regulieren, Nervosität abbauen.

  • Progressive Muskelentspannung: An- und Entspannung verschiedener Muskelgruppen. Ein schneller Weg, um innere Ruhe zu schaffen.

  • Positives Selbstgespräch: Gedanken reframen – statt „Ich darf keinen Fehler machen“ → „Ich bin vorbereitet und zeige, was ich kann.“

  • Simulationen üben: Interviews mit Freund:innen, Coaches oder digitalen Tools trainieren. Je vertrauter der Ablauf, desto weniger Raum für Angst.

  • Informationsvorsprung nutzen: Je genauer man Ablauf und Gesprächspartner:innen kennt, desto mehr Sicherheit entsteht.

  • Körperhaltung bewusst einsetzen: Der TED Talk von Amy Cuddy über Power Posing ist zwar schon weithin bekannt, bleibt aber aktuell: Selbstbewusste Körperhaltung beeinflusst auch das innere Empfinden positiv.

  • Lebenslauf-Lücken aktiv rahmen: Familien- oder Pflegezeiten nicht verschweigen, sondern zeigen, welche Kompetenzen daraus erwachsen sind.

  • Grenzen erkennen: Wenn Angst über das „normale Mass“ hinausgeht, kann psychologische Beratung oder Coaching sinnvoll sein.


Eine Plattform wie Anxiety Aid Tools bietet hier nützliche Hilfen. Sie ist nur eine von vielen Anlaufstellen, doch gerade im Bewerbungsstress können solche Tools erste Unterstützung leisten.



Websites & Tools gegen Angst im Bewerbungsprozess


Hier eine Auswahl empfehlenswerter Ressourcen, die Bewerber:innen konkret helfen können, Ängste besser in den Griff zu bekommen:




Angst abbauen – Chancen erhöhen


Angst in Bewerbungssituationen ist kein Randphänomen, sondern Alltag für viele Bewerber:innen. Sie kann lähmen, blockieren und Chancen zerstören – wenn man sie ignoriert. Doch sie lässt sich in den Griff bekommen: durch gute Vorbereitung, einfache Tools und eine bewusstere Haltung.


Für Recruiter:innen heisst das: Prozesse schaffen, die fair, transparent und empathisch sind. Schon kleine Anpassungen – vom Einladungsschreiben bis zum Interviewleitfaden – machen einen grossen Unterschied. Wer Angst reduziert, steigert nicht nur die Candidate Experience, sondern erhöht auch die Chance, die besten Talente wirklich zu erkennen.


Für Bewerber:innen bedeutet es: Strategien zu entwickeln, die helfen, Ängste nicht als Gegner, sondern als Signal zu verstehen – und sie mit praktischen Methoden zu zähmen.


So wird aus der grössten Hürde ein Teil des Erfolgsweges – für beide Seiten.

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