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Ich weiss, es ist Krise, aber...Boomerang Hires & Alumni-Programme: Warum es trotzdem eine gute Idee ist.

  • Autorenbild: Marcus
    Marcus
  • 26. Nov.
  • 5 Min. Lesezeit

In vielen Unternehmen herrscht aktuell eine paradoxe Situation: Während einerseits Restrukturierungen, Einstellungsstopps und Stellenabbauten den Arbeitsmarkt prägen, wächst gleichzeitig der Druck, kritische Positionen schnell und kosteneffizient zu besetzen.


In Deutschland betrifft das vor allem die Automobil- und Zulieferindustrie, wo Hersteller und Tier-1-Zulieferer angesichts der Transformation zu E-Mobilität, Software und Effizienzsteigerung Personal abbauen. Und in der Schweiz ist es der Finanzsektor, in dem grosse Banken nach Fusionen und Kostensenkungen Stellen streichen.


Doch der Arbeitskräftemangel ist damit keineswegs gelöst. Viele Unternehmen merken: Wenn die Märkte wieder anziehen oder Projekte kurzfristig Fahrt aufnehmen, fehlen erfahrene Fachkräfte – vor allem jene, die das Unternehmen, seine Kultur und Prozesse bereits kennen.


Genau hier kommen Boomerang-Hires – also Rückkehrer:innen – und Alumni-Programme ins Spiel. Sie gelten in den USA bereits seit Jahren als strategisches Recruiting-Instrument – und erleben aktuell ein Comeback.


Das wusste auch schon Trude Herr.
Das wusste auch schon Trude Herr.


Trend aus den USA: Das Comeback der Rückkehrer:innen


In den Vereinigten Staaten melden HR-Analysten wie LinkedIn und Workday, dass sich der Anteil sogenannter Boomerang-Hires (Wiedereinstellungen ehemaliger Mitarbeitender) 2024 wieder deutlich erhöht hat.


  • Laut LinkedIn waren 4,5 % aller Neueinstellungen im Jahr 2023 Rückkehrer:innen – nach einem Tiefpunkt von 3,9 % im Jahr 2021.

  • Bei grossen Tech- und Beratungsunternehmen liegt die Quote sogar zwischen 10 % und 15 %.

  • Fast jede:r zweite ehemalige Mitarbeitende gibt in Umfragen an, sich eine Rückkehr „grundsätzlich vorstellen“ zu können, wenn sich Rahmenbedingungen verändert haben.


Der Grund ist einfach: Nach Jahren des „Great Resignation“-Trends, in denen viele Beschäftigte neue Arbeitgeber ausprobierten, erkennen beide Seiten den Wert von Vertrautheit und Stabilität wieder.



Warum das Thema jetzt relevant ist


Die wirtschaftliche Lage in der DACH-Region verschiebt den Fokus vieler Unternehmen:


  • Deutschland: Automotive, Maschinenbau und Chemie konsolidieren. Gleichzeitig herrscht Fachkräftemangel in IT, Energie, Logistik und Pflege.

  • Schweiz: Der Banken- und Versicherungssektor baut ab; Life Sciences und Tech wachsen weiter.

  • Österreich: Nach Pandemie und Teuerung suchen viele Unternehmen nach nachhaltigen Talentpools statt kurzfristigem Recruiting.


Das Ergebnis: Qualifizierte Talente verlassen restrukturierte Unternehmen – und sind gleichzeitig begehrt.


Wer jetzt systematisch Alumni-Beziehungen pflegt, schafft sich einen Vorteil: Wenn der Aufschwung kommt, sind die besten Rückkehrer:innen bereits identifiziert, kontaktiert und emotional ansprechbar.



Boomerang Hires – Definition und Nutzen


Ein "Boomerang Hire" ist eine Person, die nach einem Austritt (z. B. aus Karriere-, Familien- oder Standortgründen) zu einem späteren Zeitpunkt wieder beim ehemaligen Arbeitgeber eintritt.


Ihre Vorteile für Unternehmen:


  • Schnellere Einarbeitung: Rückkehrer:innen kennen Prozesse, Tools und oft auch das Team.

  • Geringeres kulturelles Risiko: Sie wissen, worauf sie sich einlassen – und passen meist gut zur Organisation.

  • Niedrigere Recruitingkosten: Externe Personalgewinnung entfällt oder verkürzt sich deutlich.

  • Positive Signale nach aussen: Rückkehrer:innen sind glaubwürdige Markenbotschafter – sie kehren freiwillig zurück.


Vorteile für Mitarbeitende:


  • Bekanntes Umfeld mit neuen Chancen (z. B. geänderte Rolle, Führung, Standort).

  • Wertschätzung durch gezieltes Re-Recruiting.

  • Geringeres Risiko eines Fehlstarts nach externen Erfahrungen.



Warum Unternehmen den Rückkehrer-Effekt oft unterschätzen


Viele Organisationen betrachten Austritte als endgültig – ein Denkfehler.


Studien zeigen, dass über 60 % ehemaliger Mitarbeitender im DACH-Raum grundsätzlich offen für eine Rückkehr wären, wenn sie:


  • fair behandelt wurden,

  • die Trennung professionell verlief,

  • und sie über neue Chancen informiert bleiben.


Doch: Nur ein Bruchteil der Unternehmen führt derzeit systematische Alumni- oder Rehire-Programme. Stattdessen gehen Wissen, Kontakte und potenzielle Kandidat:innen verloren – oft an Wettbewerber oder Start-ups.


Dabei ist der ROI klar: Laut einer Deloitte-Studie kosten Boomerang-Hires im Schnitt 50–60 % weniger als externe Neueinstellungen – und bleiben im Durchschnitt länger im Unternehmen.



Fünf Erfolgsfaktoren für Boomerang- und Alumni-Strategien


1. Exit-Kultur professionalisieren


Der Grundstein für Rückkehrer:innen wird im Austrittsprozess gelegt.


  • Austrittsgespräche sollten dokumentieren, ob eine Rückkehr grundsätzlich vorstellbar ist.

  • „Good Leaver“-Kriterien (z. B. positive Referenz, offene Kommunikation) sichern spätere Kontaktfähigkeit.

  • Offboarding-Prozesse sollten mit HR-Marketing verzahnt sein, um Alumni aktiv einzuladen.



2. Alumni-Netzwerk aufbauen


Ein modernes Alumni-Netzwerk ist kein nostalgischer E-Mail-Verteiler, sondern eine lebendige Community:


  • Digitale Plattform (z. B. PeoplePath, Aluminati oder LinkedIn Groups).

  • Inhalte: Job-News, Fachbeiträge, Events, Weiterbildung, Erfolgsgeschichten.

  • Sichtbare Anerkennung: „Spotlights“ für ehemalige Mitarbeitende in neuen Rollen.


So entsteht ein wertvolles „Talent-Relationship-Management“ ausserhalb klassischer Recruitingkanäle.



3. Rehire-Policy festlegen


Rückkehrer:innen dürfen kein Zufallsprodukt sein. Unternehmen brauchen klare Regeln:


  • Wartezeiten: z. B. 6–12 Monate nach Austritt.

  • Kriterien: nur Good Leaver, keine aktiven Konfliktfälle.

  • Vergütung: transparente Einstufung – keine Bevorzugung, aber auch keine Benachteiligung.

  • Prozess: „Fast Track“-Einstellung bei bestätigter Passung.


Einheitliche Regeln schaffen Vertrauen – intern wie extern.



4. Kommunikation & Employer Branding


Rückkehrer:innen sind starke Markenbotschafter. Erfolgreiche Beispiele aus den USA und UK nutzen ihre Geschichten aktiv:


  • Storytelling-Kampagnen („Why I Came Back“) auf Karrierewebseiten oder LinkedIn.

  • Interne „Boomerang Panels“ in Townhalls.

  • Alumni-Newsletter mit Jobangeboten und Erfolgsgeschichten.


So wird aus Personalrückgewinnung ein Employer-Branding-Booster.



5. Integration & Mentoring


Rückkehrer:innen brauchen kein „Welcome Back“ – sondern ein strukturiertes Re-Onboarding:


  • Update zu neuen Strategien, Tools, Führungskräften.

  • Buddy aus einem anderen Team zur kulturellen Wiedereingliederung.

  • Feedback-Check nach 60 und 180 Tagen zur Erfolgsbewertung.


Ein professioneller Wiedereinstieg vermeidet Enttäuschungen und sichert langfristige Bindung.



Wirtschaftlicher Kontext: Von der Entlassung zur Talentreserve


Gerade in Krisenzeiten entstehen paradoxerweise die besten Alumni-Programme.


Beispiel Deutschland:

Viele OEMs und Zulieferer reduzieren Personal, um Kosten zu senken oder Produktionsschwerpunkte zu verlagern. Wer aber die Beziehung zu den Ausscheidenden pflegt – z. B. über Alumni-Communities oder Projektverträge – schafft sich einen strategischen Pool für Wiederbesetzungen, sobald der Markt wieder wächst.


Beispiel Schweiz:

Nach den Bankenfusionen 2024 (z. B. UBS/Credit Suisse) sind sehr viele top-qualifizierte Fachkräfte im Finanz- und IT-Bereich zurück im Arbeitsmarkt. Viele dieser Profile sind für FinTechs, Versicherungen und Beratungen hochinteressant – oder kehren später zurück, wenn stabile Rahmenbedingungen gegeben sind.


Beispiel Österreich:

Im Mittelstand entstehen zunehmend hybride Alumni-Netzwerke – oft branchenübergreifend, z. B. über Fachverbände oder Bildungscluster.


In allen Fällen gilt:

Trennungskultur ist Zukunftskultur. Wer den Kontakt hält, rekrutiert morgen schneller.


Typische Bedenken – und wie man sie entkräftet


„Rückkehrer:innen sind illoyal.“

→ Loyalität zeigt sich heute nicht durch Dauer, sondern durch Verbundenheit. Ein:e Rückkehrer:in entscheidet sich bewusst wieder für das Unternehmen.


„Wir brauchen frischen Wind, keine Rückkehrer:innen.“

→ Beides geht. Externe Erfahrung plus interne Vertrautheit ist eine produktive Kombination.


„Das ist zu viel Aufwand.“

→ Alumni-Management lässt sich mit minimalem Aufwand starten (z. B. LinkedIn-Gruppe, Newsletter, Datenbank) – und wächst organisch.


„Was sagen die Verbliebenen?“

→ Wichtig ist Transparenz: Boomerang-Hires werden nach objektiven Kriterien eingestellt, nicht „aus Sympathie“.



Messbare Effekte eines Alumni-Programms


Erfolgreiche Unternehmen tracken Kennzahlen, um den Nutzen sichtbar zu machen:


  • Anteil Boomerang Hires an allen Neueinstellungen

  • Time-to-Fill bei Rehires (meist 30–50 % kürzer)

  • Cost-per-Hire im Vergleich zu externen Besetzungen

  • Retention nach 12 Monaten (Boomerang-Hires bleiben oft länger)

  • Net Promoter Score (NPS) ehemaliger Mitarbeitender


Diese Metriken belegen, dass Alumni-Strategien kein „Nice-to-Have“, sondern ein Business Case sind.


Fünf praxisnahe Schritte für den Start


  1. Datenbasis schaffen: Ehemalige aus HR-Systemen identifizieren, Kontakte aktualisieren (LinkedIn, Xing, Alumni-Portal).

  2. Pilotgruppe bilden: z. B. ehemalige Führungskräfte, Azubis oder Trainees.

  3. Kommunikationskanal etablieren: Newsletter, LinkedIn-Gruppe oder eigene Landingpage.

  4. Inhalte liefern: Fachnews, Stellenangebote, Rehire-Stories, Weiterbildung.

  5. Kultur fördern: Rückkehr aktiv wertschätzen, nicht stillschweigend „tolerieren“.



Boomerang-Hires sind der schnellste Weg zu erfahrener Qualität


In einer Zeit, in der viele Unternehmen Personal abbauen, aber gleichzeitig um Fachkräfte ringen, sind Alumni-Netzwerke das verbindende Element zwischen Vergangenheit und Zukunft.


Rückkehrer:innen bringen Know-how, Netzwerk und Glaubwürdigkeit – und verkörpern das, was in Zeiten sinkender Loyalität zählt: Vertrauen, Erfahrung und beidseitige Wahlfreiheit.


Unternehmen, die jetzt handeln, sichern sich jetzt einen klaren Vorteil:


  • Schnellere Besetzungen.

  • Geringere Kosten.

  • Stärkere Arbeitgebermarke.


Oder kurz gesagt:

Die besten neuen Mitarbeitenden sind manchmal die, die man schon einmal hatte.

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