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Pay-Equity-Reporting als Employer-Branding-Baustein: Pflicht oder strategische Chance?

  • Autorenbild: Marcus
    Marcus
  • vor 5 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit
Stichtag 7. Juni 2026.
Stichtag 7. Juni 2026.

Mit der EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz (EU 2023/970) beginnt für Arbeitgeber in Europa ein neues Kapitel der Vergütungskultur. Spätestens bis 7. Juni 2026 müssen die Mitgliedstaaten die Vorgaben in nationales Recht umsetzen – für Unternehmen heisst das: Gehalts-Transparenz wird Pflicht.


Wer jetzt noch abwartet, vergibt wertvolle Zeit. Denn man kann die neuen Anforderungen defensiv als lästige Compliance abarbeiten oder offensiv als Baustein im Employer Branding nutzen – und damit Vertrauen, Sichtbarkeit und einen klaren Wettbewerbsvorteil aufbauen.


Hintergrund und Fristen: EU-Richtlinie 2023/970, Übersichten u. a. bei Deloitte und Norton Rose Fulbright.



Warum jetzt? Der Zeitpunkt für Glaubwürdigkeit


Sobald Gehaltsberichte veröffentlicht werden, entstehen Vergleiche – zwischen Wettbewerbern, Branchen, Standorten. Frühstarter können die Deutungshoheit gewinnen: Sie zeigen, dass sie Transparenz wollen, nicht nur müssen, und korrigieren etwaige Lücken proaktiv, bevor diese öffentlich zum Reputationsrisiko werden. Das stärkt die Anziehungskraft für Bewerber:innen und die Bindung bestehender Teams.


Deutschland hat dabei besonderen Handlungsdruck: Der unbereinigte Gender Pay Gap lag 2023 laut Destatis bei 18 %, der bereinigte bei 7 % – und damit über dem EU-Durchschnitt. Quellen: Destatis Presse 2024, Überblick EU/GPG: Destatis EN-Seiten.



Was die Richtlinie konkret verlangt – kurz erklärt


Im Kern verpflichtet die Richtlinie Unternehmen zu Informations-, Auskunfts- und Reportingpflichten sowie zu Abhilfemassnahmen, wenn Lohnlücken bestehen. Details finden sich im Originaltext und in praxisnahen Übersichten: Consilium/EU, Deloitte, Norton Rose Fulbright.


Wesentliche Punkte im Überblick:


  • Transparenz vor Einstellung: Angabe von Einstiegsgehalt oder Gehaltsspannen schon in Stellenanzeigen.

  • Auskunftsrechte: Beschäftigte können Informationen zu durchschnittlichen Entgelten vergleichbarer Rollen (geschlechtsbezogen) anfordern.

  • Reportingpflichten: Ab 100 Mitarbeitenden regelmäßige Berichte (ab 250 jährlich); bei > 5 % Lücke besteht Handlungs- und Abstimmungspflicht mit Arbeitnehmervertretungen.

  • Rechtsfolgen: Mitgliedstaaten führen Sanktionen und Schadensersatz ein.



Vom Compliance-Projekt zur Vertrauensstrategie


Die formale Erfüllung der Richtlinie ist das Minimum. Wirkung fürs Employer Branding entsteht erst, wenn Transparenz als Haltungsfrage verstanden und sichtbar kommuniziert wird. Denn Vergütung ist mehr als Zahlen – sie ist ein Ausdruck von Fairness, Wertschätzung und Governance.


Relevanz am Arbeitsmarkt und bei Investor:innen nimmt zu: Pay Equity ist ein zentraler „S“-Faktor in ESG-Ratings; Studien zeigen zudem, dass Gehaltstransparenz das Vertrauen messbar stärkt (Branchenüberblicke u. a. bei Haufe).


Reputationseffekte, die zählen


  • Bewerbungsqualität steigt, wenn Gehaltsbänder klar sind; Abbrüche sinken.

  • Mitarbeiterbindung profitiert, weil Intransparenz häufig Misstrauen erzeugt.

  • Stakeholder-Vertrauen wächst, wenn Fortschritte nachvollziehbar berichtet werden.



So nutzen Sie Pay-Equity-Reporting aktiv


Ein guter Weg ist eine Roadmap in vier Phasen – mit klaren Verantwortlichkeiten und wenigen, aber messbaren Kennzahlen.


Phase 1 – Datengrundlage & Rollenbeschreibungen

Bilden Sie eine robuste Basis:

  • Vollständige Vergütungsdaten (Fixum, variable Anteile, Benefits) konsolidieren

  • Vergleichbarkeit definieren: „gleichwertige Arbeit“ (Work of Equal Value)

  • Datenqualität der HR-Systeme prüfen; Reportingstrecken testen


Phase 2 – Analytik & Diagnose

Identifizieren Sie Muster statt Einzelfälle:

  • Gender-Gaps nach Rolle, Level, Standort ausweisen

  • Ursachen unterscheiden: Struktur (z. B. Karrierepfade, Teilzeit), Markt, Einzelfall

  • Prioritäten festlegen: Wo sind Gaps gross, wo sind sie rasch korrigierbar?


Phase 3 – Massnahmen & Governance

Setzen Sie Standards, die tragen:

  • Einstiegsgehälter und Beförderungslogik kalibrieren

  • Boni-/Zulagenkriterien vereinheitlichen, Dokumentationspflichten einführen

  • Gremiensteuerung (HR + Führung + Arbeitnehmervertretung), klare SLA/Fristen


Phase 4 – Kommunikation & Branding

Machen Sie Fortschritt sichtbar – ohne „Purpose-Floskeln“:

  • Berichte mit Zeitreihen, Korridor-Zielen und konkreten Massnahmen

  • Klarer Narrativ: „Was wir gefunden haben – was wir tun – wann wir messen“

  • Karriereseiten & Stellenausschreibungen mit Gehaltsbändern und FAQ zum Verfahren



Wo stehen wir heute? Einordnen statt beschönigen


Die aktuellen Destatis-Zahlen belegen strukturelle Unterschiede – teils durch Branchen- und Teilzeitmix erklärbar, teils nicht. Der bereinigte Gap von 7 % zeigt: Prozess- und Entscheidungslogik spielen eine Rolle. Genau dort setzt die Richtlinie an.


Drei typische Befunde aus Pay-Analysen

  • Einstiegsentscheidungen ohne Band-Transparenz erzeugen über Jahre „Kohorten-Effekte“.

  • Intransparente Boni verstärken Abweichungen trotz gleichen Grundgehalts.

  • Karrierepfade (z. B. Wechsel in Teilzeit/Projektrollen) verhindern Level-Aufstiege, obwohl die Wirkung gleichwertig ist.



Kennzahlen, die überzeugen – intern wie extern


Gute Reports sind prägnant und vergleichbar. Neben dem (un)bereinigten Gap sollten Sie steuerbare Metriken zeigen:


  • Band-Abdeckung: Anteil Rollen mit veröffentlichten Gehaltsbändern

  • Korrekturquote: Anteil identifizierter Abweichungen, die bereinigt wurden

  • Time-to-Fix: Median-Zeit von Befund bis Anpassung

  • Impact-KPIs: Fluktuation, Angebot-Annahme-Quote, interne Mobilität (m/w/x)


Diese KPIs lassen sich im ESG-Kontext berichten und mit Governance-Zielen verknüpfen (vgl. Richtlinien-Kontext: Consilium/EU).



Was Frühstarter konkret gewinnen


Unternehmen, die vor 2026 starten, können die Lernkurve bereits hinter sich haben, wenn die Berichte publik werden. Das vermeidet hektische „Feuerwehrmaßnahmen“ und erlaubt, Erfolge seriös zu dokumentieren. Praxisbeispiele aus DAX-/MDAX-Umfeldern zeigen, dass kontinuierliche Korrekturen (statt grosser Einmal-Anhebungen) finanziell planbarer und kulturell anschlussfähiger sind.


Orientierung und Best Practices: kompakte Übersichten bei Deloitte und Haufe.



Drei „Branding-Moves“, die sofort wirken


  • Gehaltsbänder in allen externen Ausschreibungen mit kurzer Erläuterung zur Herleitung

  • Jährlicher Equal-Pay-Update-Post (CEO/CHRO), der Fortschritte und Restlücken offen benennt

  • FAQ-Sektion für Bewerber:innen („Wie wir Gehälter festlegen“, „Wie wir Gaps prüfen“)



Risiken managen – ohne die Chance zu verlieren


Transparenz kann Diskussionen auslösen. Das ist kein Fehler, sondern der Sinn der Übung: Entscheidungen werden besser, wenn sie erklärbar sind. Wichtig ist, konsistent zu bleiben:


  • Keine Schnellschüsse ohne Datenbasis; erst messen, dann handeln

  • Kommunikation mit Mass: Zahlen erklären, Massnahmen benennen, Zeitplan liefern

  • Führungsreife: Führungskräfte in Bias-Erkennung und Gehaltsgesprächen trainieren


Eine Mercer-Erhebung (via Haufe) zeigt, dass viele Unternehmen sich noch nicht vorbereitet fühlen. Umso grösser die Chance für jene, die jetzt starten.



Checkliste für die nächsten 90 Tage


Statt perfekter Fünfjahres-Pläne braucht es einen sauberen ersten Schritt:


  • Inventory: Welche Daten liegen wo? Wer verantwortet welche Teile?

  • Definitionen: Rollenarchitektur, „gleichwertige Arbeit“, Band-Logik sauber festlegen

  • Pilot-Analyse: 2–3 kritische Bereiche (z. B. Sales, Tech, Ops) tief prüfen

  • Policy-Draft: Einstiegs- und Beförderungsleitlinien, Bonus-Kriterien, Dokumentation

  • Kommunikations-Beta: internes Briefing + kurze externe Notiz auf Karriereseite



Von der Pflicht zur Haltung – und zum Vorteil


Die EU macht Pay-Equity-Reporting verbindlich. Aber die Wirkung entsteht dort, wo Unternehmen die Pflicht in Haltung übersetzen – und Haltung in sichtbare Praxis. Wer früh beginnt, messbar korrigiert und transparent kommuniziert, gewinnt:


  • Vertrauen bei Bewerber:innen und Mitarbeitenden

  • Profil im Wettbewerb um Talente

  • Punkte bei ESG-getriebenen Stakeholdern


Am Ende ist Pay Equity kein PR-Thema, sondern eine Führungsaufgabe. Unternehmen, die das verstanden haben, berichten nicht nur Zahlen – sie erzählen Glaubwürdigkeit. Und die ist im Employer Branding die härteste Währung.


Quellen

EU-Richtlinie & Umsetzung: Consilium/EU, Deloitte, Norton Rose Fulbright

Umfrage-/Praxisbezug: Haufe

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