Souverän führen in der Krise: Warum Empathie und Entscheidungsfreude die entscheidenden Eigenschaften sind
- Marcus

- 28. Sept.
- 4 Min. Lesezeit

Die Welt taumelt in Kriege, die Wirtschaft rauscht in Krisen - die Stimmung ist vorsichtig ausgedrückt angespannt. Das bricht sich herunter bis auf die Team-Ebene in Unternehmen - Führungskräfte müssen hier zeigen, was sie können. Und leider zeigen sie nicht selten, was sie nicht können. Unsichere Märkte, Kostendruck, Personalabbau oder disruptive Veränderungen stellen Organisationen vor enorme Herausforderungen. In solchen Phasen zeigt sich, welche Führungskräfte nicht nur „verwalten“, sondern wirklich führen können.
Besonders zwei Eigenschaften sind aus meiner Sicht dabei entscheidend: Empathie und Entscheidungsfreude. Auf den ersten Blick wirken sie gegensätzlich – Mitgefühl auf der einen Seite, Härte und Schnelligkeit auf der anderen. Doch in Wirklichkeit sind sie zwei Seiten derselben Medaille, souveräner Führung.
Warum gerade in Krisenzeiten Empathie und Entscheidungsfreude zählen
Empathie: Vertrauen schaffen in unsicheren Zeiten
In Krisen steigt die Verunsicherung: „Bin ich als Mitarbeiter:in betroffen?“, „Geht es mit meiner Abteilung weiter?“, „Wird mein Projekt gestrichen?“
Führungskräfte, die in dieser Situation empathisch kommunizieren, nehmen Ängste ernst, schaffen Orientierung und stärken das Vertrauen ins Unternehmen.
Fakt: Studien von Gallup zeigen, dass Mitarbeitende, die ihre Führungskraft als „mitfühlend“ wahrnehmen, in Krisenzeiten bis zu 4-mal engagierter sind.
Praxis: Empathische Führung bedeutet nicht, immer gute Nachrichten zu überbringen. Sie bedeutet, schwierige Nachrichten ehrlich, klar und menschlich zu kommunizieren.
Entscheidungsfreude: Handlungsfähigkeit sichern
Zögern ist in Krisen oft teurer als eine falsche Entscheidung. Märkte verändern sich schnell, Unsicherheit lähmt Organisationen. Führungskräfte, die entschlussfreudig handeln, zeigen: „Wir haben die Situation im Griff.“
Fakt: Laut einer PwC-Studie aus 2023 nannten 68 % der befragten Manager „Entscheidungsstärke“ als die wichtigste Führungseigenschaft in Krisen.
Praxis: Entscheidend ist nicht die absolute Richtigkeit jeder Entscheidung, sondern die Fähigkeit, klare Prioritäten zu setzen, Verantwortung zu übernehmen und aus Fehlern zu lernen.
Empathie trainieren – ohne sich selbst zu verleugnen
Viele Manager sehen Empathie als „weiches“ Thema. Manche fürchten sogar, dadurch angreifbar zu wirken. Doch Empathie ist kein Talent, sondern eine trainierbare Kompetenz.
Perspektivwechsel üben
Methode: In Meetings bewusst die Frage stellen: „Wie könnte diese Entscheidung für die Mitarbeitenden auf Ebene X wirken?“
Praxis: Rollenspiele oder Feedback-Sessions helfen, blinde Flecken aufzudecken.
Aktives Zuhören
Nicht nur auf Inhalte, sondern auch auf Emotionen achten: „Ich höre, dass dich die aktuelle Situation frustriert – was bräuchtest du, um handlungsfähig zu bleiben?“
Training: Regelmässig Gesprächsprotokolle machen – mit Fokus auf Emotionen, nicht nur auf Fakten.
Transparenz & Authentizität
Empathie bedeutet nicht, es allen recht zu machen. Wichtig ist, ehrlich zu bleiben und eigene Grenzen klar zu kommunizieren.
Beispiel: „Ich verstehe, dass die Situation belastend ist. Ich kann dir keine Jobgarantie geben, aber ich verspreche, dich transparent über die nächsten Schritte zu informieren.“
Mikro-Empathie im Alltag
Empathie zeigt sich nicht nur in Krisensituationen. Kleine Gesten im Alltag – ein kurzes Dankeschön, ehrliches Interesse am Projektfortschritt oder die Nachfrage nach dem Befinden nach stressigen Wochen – wirken oft stärker als grosse Reden.
Entscheidungsfreude stärken – besonders im mittleren Management
Während Top-Manager oft strategische Entscheidungen treffen, sind es gerade Führungskräfte im mittleren Management, die in Krisen operativ handlungsfähig bleiben müssen. Doch viele fühlen sich zwischen „oben und unten“ eingeklemmt: von der Geschäftsführung kontrolliert, von Teams kritisch beobachtet.
Wie kann man also Entscheidungsfreude trainieren und sichtbar machen?
Entscheidungen bewusst sichtbar machen
Kommunizieren Sie klar, was Sie entschieden haben – und warum.
Beispiel: „Wir haben uns entschieden, Projekt X zu verschieben, um Ressourcen auf Projekt Y zu konzentrieren. Das bedeutet kurzfristig Mehrarbeit, langfristig aber mehr Sicherheit.
Wirkung: Entscheidungen erscheinen nachvollziehbar, nicht willkürlich.
Risiken realistisch einschätzen
Entscheidungsfreude bedeutet nicht: alles sofort entscheiden.
Frameworks nutzen:
70/30-Regel: Wenn 70 % der Informationen vorliegen, entscheiden. Die restlichen 30 % bringen selten absolute Klarheit.
Stop/Go-Kriterien: Vorab definieren, welche Faktoren eine Entscheidung kippen könnten.
„Ownership“ übernehmen
Entscheiden Sie nicht nur, sondern stehen Sie auch zu den Konsequenzen.
Wichtig: Fehler nicht vertuschen, sondern offen analysieren. Das signalisiert Souveränität.
Entscheidungsfreude trainieren
Simulationen: In Planspielen oder Krisensimulationen üben, schnelle Entscheidungen unter Druck zu treffen.
Mentoring: Von erfahrenen Führungskräften lernen, welche Faktoren sie bei schwierigen Entscheidungen priorisieren.
Empathie und Entscheidungsfreude – kein Widerspruch, sondern Ergänzung
Oft werden Empathie und Entscheidungsfreude als Gegensätze gesehen: Hier das „weiche Herz“, dort die „harte Hand.“ Doch souveräne Führung bedeutet, beides zu verbinden.
Empathie ohne Entscheidungsfreude führt zum Stillstand: Man versteht die Sorgen, handelt aber nicht.
Entscheidungsfreude ohne Empathie führt zu Zynismus: Man trifft harte Entscheidungen, verliert aber die Menschen.
Die Balance schafft Vertrauen UND Handlungsfähigkeit – und damit nachhaltigen Erfolg.
Praktische Tools für Führungskräfte in Krisensituationen
Kommunikations-Tool: „3E-Regel“
Empathize – Sorgen anerkennen: „Ich weiss, dass diese Situation für viele von euch belastend ist.“
Explain – Entscheidung erklären: „Wir müssen Kosten reduzieren, deshalb priorisieren wir X vor Y.“
Engage – Mitarbeitende einbinden: „Welche Ideen habt ihr, wie wir die Umstellung bestmöglich gestalten können?“
Entscheidungs-Tool: „RAPID-Framework“ (Bain & Company)
Recommend – Vorschläge sammeln
Agree – Zustimmung zu Grundprinzipien einholen
Perform – Entscheidung umsetzen
Input – relevante Stimmen hören
Decide – finale Entscheidung klar kommunizieren
Persönliches Training
Reflexionstagebuch: Wöchentliche Reflexion: Welche Entscheidungen habe ich getroffen? Wie empathisch war ich in Gesprächen?
Feedback einholen: Von Team und Vorgesetzten gezielt nach Wahrnehmung fragen: „Wirke ich entscheidungsfreudig? Kommt meine Empathie an?“
Beispiele erfolgreicher Führung in Krisen
Auch wenn mir im ersten Moment sehr viele Negativbeispiele aus Politik und Wirtschaft einfallen, gibt es auch einige positive Beispiele:
Jacinda Ardern (ehem. Premierministerin Neuseelands): Bekannt für ihre klare, schnelle Entscheidungsfindung während der Pandemie – kombiniert mit empathischer Kommunikation („Be kind“). Ergebnis: hohes Vertrauen in der Bevölkerung.
Satya Nadella (CEO Microsoft): Führte Microsoft durch Transformation mit einer Kultur des „Empowerment“. Empathie als Kernwert, kombiniert mit mutigen strategischen Entscheidungen. Ergebnis: Microsoft wurde wieder zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt.
Deutsche Mittelständler: In der Energiekrise 2022 zeigten viele Geschäftsführer:innen durch schnelle Investitionsentscheidungen (z. B. Solaranlagen, Energieeffizienz) Mut – gepaart mit transparenter Kommunikation an Belegschaft und Kunden.
Souveräne Führung ist die Balance von Herz und Hand
In Krisenzeiten zählt nicht, wer die lautesten Ansagen macht, sondern wer Vertrauen schafft UND Entscheidungen trifft.
Empathie ist trainierbar: durch Zuhören, Perspektivwechsel und authentische Kommunikation.
Entscheidungsfreude ist lernbar: durch klare Prioritäten, sichtbare Ownership und das Einüben von schnellen, transparenten Entscheidungen.
Gerade im mittleren Management sind diese Eigenschaften entscheidend: Dort werden die strategischen Vorgaben des Top-Managements umgesetzt – und gleichzeitig die Sorgen der Mitarbeitenden aufgefangen.
Souveräne Führung bedeutet nicht, perfekt zu sein. Sie bedeutet, menschlich UND handlungsfähig zu bleiben.







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