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Portfolio-Karrieren im Aufwind: Wie dieses Karrieremodell die Jobsuche verändert

  • Autorenbild: Marcus
    Marcus
  • 4. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Die klassische Vorstellung einer Karriere ist lange klar umrissen gewesen: Ausbildung oder Studium, Einstieg in ein Unternehmen, dort über Jahrzehnte verschiedene Stufen durchlaufen – und schliesslich der wohlverdiente Ruhestand. Doch dieses Modell ist ins Wanken geraten. Globalisierung, Digitalisierung, Fachkräftemangel und veränderte Lebensentwürfe haben die Arbeitswelt flexibilisiert.


Ein Begriff, der in diesem Kontext immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist die Portfolio-Karriere. Gemeint ist ein Karrieremodell, bei dem Menschen nicht nur einer Tätigkeit oder einem Arbeitgeber nachgehen, sondern parallel oder sequenziell verschiedene Rollen, Projekte und Einkommensquellen miteinander kombinieren.


Portfolio-Karriere: Ein Kopf, viele Hüte.
Portfolio-Karriere: Ein Kopf, viele Hüte.

Was ist das überhaupt, eine Portfolio-Karriere?


Im Kern unterscheidet sich eine Portfolio-Karriere von traditionellen Modellen dadurch, dass sie Vielfalt statt Linearität bietet:


  • Statt eines einzigen Vollzeitjobs bei einem Arbeitgeber haben Portfolio-Professionals mehrere parallele Standbeine.

  • Diese können verschiedene Anstellungsformen umfassen: Teilzeit-Anstellungen, freiberufliche Tätigkeiten, Projektarbeit, Beratungsmandate oder Lehrtätigkeiten.

  • Oft ist auch die inhaltliche Vielfalt gross: Ein Mensch kann gleichzeitig UX-Designer, Lehrbeauftragte:r und Podcaster sein – und so unterschiedliche Interessen und Fähigkeiten unter einen Hut bringen.


Während das Modell früher häufig als „Notlösung“ für Freiberufler:innen oder Künstler:innen galt, entwickelt es sich heute zu einer bewussten Karriereentscheidung, die gerade im deutschsprachigen Raum immer mehr Anhänger findet.



Abgrenzung zu anderen Karrierewegen


  • Traditionelle Karriere: Linear, auf ein Unternehmen oder einen Fachbereich fokussiert. Erfolg wird an Aufstieg im Organigramm gemessen.

  • Job-Hopping: Mehrere Arbeitgeber nacheinander, aber in Vollzeit und ohne parallele Tätigkeiten. Ziel bleibt meist der klassische Aufstieg.

  • Gig-Economy: Kurzfristige, oft gering qualifizierte Aufträge (z. B. Plattformjobs wie Lieferdienste). Portfolio-Karrieren sind strategischer, meist höher qualifiziert und stärker selbstbestimmt.

  • Parallelkarriere: Zwei gleichwertige Karrieren nebeneinander (z. B. Arzt und Unternehmer). Portfolio-Karrieren sind breiter gefächert und flexibler.


Kurz gesagt: Job-Hopper wechseln, Gig-Worker reagieren, Portfolio-Karrierist:innen gestalten.


Warum entstehen Portfolio-Karrieren gerade jetzt?


Technologische Möglichkeiten

Remote Work, Kollaborationstools und digitale Plattformen machen es leicht, mehrere Projekte parallel zu managen.


Wertewandel

Gerade jüngere Generationen möchten nicht nur „Karriereleiter klettern“, sondern Sinn, Abwechslung und Selbstbestimmung in ihrer Arbeit erleben.


Demografische Veränderungen

Ältere Arbeitnehmer:innen, die nicht in den Ruhestand gedrängt werden wollen, nutzen Portfolio-Karrieren, um ihre Erfahrung in kleineren Mandaten oder Projekten einzubringen.


Unsicherheit & Flexibilität

Wirtschaftliche Krisen haben gezeigt: Ein einziges Standbein ist riskant. Mehrere Einkommensquellen schaffen Sicherheit.



Für wen sind Portfolio-Karrieren besonders interessant?


Altersgruppen

  • Junge Berufstätige (20–35): Ideal, um verschiedene Interessen zu kombinieren und Erfahrungen zu sammeln. Viele starten mit einem festen Job und bauen nebenbei ein zweites Standbein auf.

  • Mid-Career Professionals (35–50): Besonders geeignet für Menschen, die aus Corporate-Strukturen aussteigen und mehr Selbstbestimmung suchen.

  • 50+: Portfolio-Karrieren ermöglichen es, Fachwissen weiterzugeben (z. B. als Coach, Mentor:in, Lehrbeauftragte:r), ohne die Belastung einer 60-Stunden-Woche.



Funktionen/Berufe

  • Kreative & Wissensarbeiter:innen: Designer, Entwickler, Journalisten, Berater, Coaches.

  • Akademische Berufe: Lehrtätigkeit, Forschung plus Beratung.

  • Management & Führungskräfte: Mandate in Aufsichtsräten, Start-up-Investments, Consulting.

  • Technische Experten: Projektarbeit in wechselnden Unternehmen statt Festanstellung.



Vorteile von Portfolio-Karrieren

Flexibilität: Eigene Arbeitszeit und Schwerpunkte selbst bestimmen.

Risikostreuung: Mehrere Einkommensquellen machen unabhängiger von einem Arbeitgeber.

Selbstverwirklichung: Unterschiedliche Interessen einbringen, kreative Freiheit gewinnen.

Lebensphasen-orientiert: In intensiven Phasen mehr Projekte, in ruhigen weniger.

Netzwerkaufbau: Kontakte in verschiedenen Branchen und Projekten.

Resilienz: Krisen in einem Bereich können durch andere Aktivitäten abgefedert werden.



Nachteile und Herausforderungen


Komplexität: Mehrere Mandate gleichzeitig erfordern Organisation und Selbstmanagement.

Soziale Absicherung: Krankenversicherung, Rente und Arbeitslosenversicherung sind oft komplizierter.

Work-Life-Balance: Gefahr der Überlastung, wenn „Nein sagen“ schwerfällt.

Reputation: Manche Arbeitgeber werten „zu viele Projekte“ als Unverbindlichkeit.

Planbarkeit: Einkommensschwankungen können Unsicherheit erzeugen.


Zu den Herausforderungen muss auch erwähnt werden, dass viele Arbeitswillige gar keine andere Möglichkeit haben, als diesen Weg zu wählen, um überhaupt im Arbeitsmarkt zu bleiben.


Was gilt es für Jobsucher:innen zu beachten?


Klare Positionierung

Wer Portfolio-Karriere macht, muss klar kommunizieren: „Ich habe mehrere Standbeine, aber jedes davon hat eine definierte Rolle.“ Ein „bunter Bauchladen“ wirkt beliebig.


Transparenz im Lebenslauf

Mehrere Tätigkeiten parallel können unübersichtlich wirken. Wichtig ist, diese sauber zu strukturieren – nach Funktionen, Schwerpunkten oder Kunden.


Rechtliche & Finanzielle Fragen

  • Selbstständigkeit vs. Anstellung: Welche Form ist für welches Projekt sinnvoll?

  • Vorsorge: Wie sichere ich mich für Alter und Krankheit ab?

  • Steuern: Mehrere Einkommensquellen erfordern sorgfältige Planung.


Storytelling

Wichtig ist, eine rote Linie zu ziehen: Wie ergänzen sich die verschiedenen Rollen? Welche Kompetenzen ergeben sich aus der Vielfalt?


Wo findet man heute Portfolio-Karrieren?


  • Bildungssektor: Viele Lehrbeauftragte arbeiten nebenbei in Unternehmen oder als Berater:innen.

  • Tech-Szene: Entwickler:innen kombinieren Festanstellungen mit Freelance-Projekten.

  • Beratung & Coaching: Viele Senior Professionals teilen ihre Woche zwischen Beratungsmandaten, Trainings und ehrenamtlichen Tätigkeiten.

  • Kreativwirtschaft: Designer:innen, Autor:innen, Musiker:innen leben seit jeher vom Portfolio-Prinzip.


Aber grundsätzlich ist ein solcher Karriereansatz in allen Fachgebieten und Branchen denkbar.


Wie starten? Tipps für Interessierte


  1. Analyse: Welche Fähigkeiten und Interessen lassen sich monetarisieren?

  2. Pilot: Ein kleines Nebenprojekt starten, bevor man alles auf einmal umstellt.

  3. Netzwerk: Kontakte nutzen, um Mandate und Projekte zu finden.

  4. Struktur: Kalender und Tools nutzen, um Projekte klar zu trennen.

  5. Absicherung: Frühzeitig klären, wie Versicherungen und Steuern geregelt sind.

  6. Positionierung: Eine klare „Marke“ aufbauen, die verschiedene Tätigkeiten verbindet.


Portfolio-Karrieren sind weit mehr als ein Trend. Sie spiegeln die Realität einer Arbeitswelt wider, die flexibler, unsicherer – und vielfältiger geworden ist. Für viele Menschen im deutschsprachigen Raum eröffnet dieses Modell neue Chancen, aber auch neue Verantwortlichkeiten.


Es ist nicht der einfachste Weg – aber für viele der passendste, um ihre Kompetenzen, Interessen und Lebensumstände miteinander zu verbinden. Wer die Vorteile nutzt, die Risiken kennt und sich gut organisiert, kann in einer Portfolio-Karriere nicht nur ökonomisch bestehen, sondern auch persönliche Erfüllung finden.

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