top of page

Wenn der Arbeitsmarkt kippt: Was steigende White-Collar-Arbeitslosigkeit für Recruiting-Teams bedeutet

  • Autorenbild: Marcus
    Marcus
  • vor 58 Minuten
  • 3 Min. Lesezeit

Nachdem lange der Fachkräftemangel die Arbeitsmarktdiskussionen geprägt hat, weht im DACH-Raum ein anderer Wind. Die Zahl der Arbeitslosen steigt – und erstmals seit Langem betrifft das nicht nur Produktions- oder Dienstleistungsberufe, sondern zunehmend auch White-Collar-Funktionen. Für Recruiting-Teams bedeutet das eine tektonische Verschiebung: mehr Bewerbungen, andere Erwartungshaltungen, neue Prioritäten.


Wind of change?
Wind of change?

Ein Blick auf die Lage im DACH-Raum


In Deutschland lag die Zahl der registrierten Arbeitslosen im September 2025 bei 2,955 Millionen Menschen, die Quote bei 6,3 % – rund 148.000 mehr als im Vorjahr. Zwar sank die Zahl saisonbedingt leicht, doch die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit stieg weiter an.


In der Schweiz lag die Arbeitslosenquote im August 2025 bei 2,8 %, ein Plus von 2,3 % zum Vormonat. Insgesamt waren 132.105 Personen arbeitslos gemeldet – der stärkste Anstieg seit 2020.


In Österreich stieg die nationale Arbeitslosenquote laut AMS im September 2025 auf 7,0 %, ein Plus von 7 % gegenüber dem Vorjahr. Besonders stark betroffen: Frauen (+ 8,8 %). Laut Statistik Austria war der Arbeitslosenbestand im zweiten Quartal um 12,4 % höher als 2024.

➡️ Quellen:


Auch Akademiker:innen spüren die Abschwächung: In Deutschland lag ihre Arbeitslosenquote bereits bei 2,9 % – der höchste Wert seit 2017.



Warum der Markt dreht


Mehrere Kräfte wirken gleichzeitig. Die Wirtschaft stagniert: Das BIP-Wachstum 2025 liegt in Deutschland bei + 0,2 %, in Österreich bei + 0,3 % und in der Schweiz bei + 0,8 %.


Hohe Energiepreise, Zinsdruck und geopolitische Unsicherheiten bremsen Investitionen. Laut ifo-Institut erschweren hohe Mieten und geringe Mobilität zudem die Anpassung des Arbeitsmarkts – wer nicht umziehen kann, bleibt seltener wechselbereit.


Das IAB-Arbeitsmarktbarometer lag im September 2025 bei 100,7 Punkten – neutral. Weder Aufschwung noch Rezession, sondern eine fragile Seitwärtsbewegung.



Was das für Recruiting-Teams bedeutet


Für viele HR-Abteilungen ist das ungewohnt. Statt zu wenig Bewerbungen zu managen, müssen sie nun mehr Auswahl strukturieren. Das kann Vorteile bringen – aber auch Risiken, wenn Prozesse nicht angepasst werden.


Einerseits bietet sich die Chance, besser passende Talente zu finden, die in Boomzeiten kaum wechselbereit waren. Höhere Bewerberzahlen erhöhen die Auswahlqualität, besonders in kaufmännischen, Marketing- oder IT-Rollen. Auch die Time-to-Hire kann sinken, wenn die Vorauswahl effizient gestaltet ist.


Andererseits wächst der operative Aufwand: mehr Kommunikation, mehr Erwartungsmanagement und mehr potenzielle Frustration auf Bewerberseite. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit werden Reaktionsgeschwindigkeit, Transparenz und Fairness zu entscheidenden Wettbewerbsvorteilen.



Drei zentrale Chancen


  1. Qualität statt Quantität:

    Klare Muss- und Kann-Kriterien, Scorecards, strukturierte Interviews – das steigert Passgenauigkeit und senkt Bias.

  2. Employer Branding neu ausrichten:

    In unsicheren Zeiten überzeugen Stabilität, Lernchancen und gute Führung stärker als Hipness.

  3. Talent Relationship Management (TRM) stärken:

    Jetzt ist der Moment, „Silver Medalists“, Alumni und Rückkehrer aktiv einzubinden.



Neue Herausforderungen


Der Wandel bringt Stolperfallen mit sich:


  • Selektionsdruck: Intuition reicht nicht mehr – objektive Verfahren sind Pflicht.

  • Kommunikationslast: Automatisierte Updates und transparente Absagen entlasten HR.

  • Erwartungsmanagement: Fachbereiche müssen Marktrealität akzeptieren – Gehälter normalisieren sich.

  • Signalrauschen: Präzise Jobtitel und klare Anforderungen filtern irrelevante Bewerbungen.


Recruiting-Teams, die das beherzigen, können die Marktphase nutzen, um ihre Prozesse nachhaltig zu professionalisieren.



Praktische Hebel für die nächsten 12 Monate


  • Anforderungen schärfen: maximal sieben Muss- und sieben Kann-Kriterien.

  • Transparente Stellenanzeigen: Gehaltsspannen, Arbeitsmodelle, Zeitrahmen – EU-weit bald Pflicht. ➡️ EU-Pay-Transparency-Directive 2026

  • Strukturierte Auswahl: Leitfäden, Arbeitsproben, Bewertungsrubriken.

  • Talentpools & Alumni-Programme: besonders wertvoll in Österreich und der Schweiz mit engen Netzwerken.

  • Interne Mobilität: Projekt- und Gig-Assignments schaffen Flexibilität und halten Wissen im Haus.



Prognose


Die nächsten 12–18 Monate bleiben eine Übergangsphase.


Die Märkte bleiben also angespannt – aber kein Dauerkrisenmodus. Jetzt ist die Zeit, Recruiting-Strukturen zu stärken, Prozesse zu digitalisieren und Beziehungsnetzwerke auszubauen.



Fazit


Der Arbeitsmarkt im DACH-Raum kühlt ab, aber das Recruiting kann davon profitieren – wenn es auf Qualität, Struktur und Beziehungspflege setzt. 2025 ist das Jahr, in dem Talent Acquisition erwachsen wird: weg vom Reaktionsmodus, hin zu echter strategischer Steuerung.


Quellenübersicht:


Kommentare


Binningen, Schweiz

Abo-Formular

Vielen Dank!

  • LinkedIn
  • Twitter
  • Pinterest
  • Facebook

©2020 Marcus Fischer

bottom of page