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50+ und chancenlos? Wie Altersbias im Recruiting Karrieren blockiert – und Unternehmen schadet

  • Autorenbild: Marcus
    Marcus
  • 17. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Ältere Bewerber:innen: Nur für den Schredder gut?
Ältere Bewerber:innen: Nur für den Schredder gut?

In den letzten Monaten häufen sich die Schlagzeilen: „51-Jähriger schreibt 200 Bewerbungen – keine Chance“, „Stadt Bern lehnt 62-Jährige ab – weil sie zu alt ist“, „Personalsuche wie vor 50 Jahren“. Das Thema Altersdiskriminierung im Recruiting rückt zunehmend in den Fokus. Was auch angesichts der zeitgleich stattfindenden Diskussionen um den Fachkräftemangel nicht verwunderlich ist. HR-Expert:innen kritisieren zurecht, dass viele Firmen noch immer so rekrutieren, als gäbe es keinen Fachkräftemangel.


Während die Politik über die Verlängerung der Lebensarbeitszeit diskutiert und Unternehmen öffentlich die Erfahrung älterer Fachkräfte loben, sieht die Realität anders aus: Bewerber:innen 50+ werden in der Praxis systematisch aussortiert. Und das ist nicht nur unfair – es ist auch ökonomisch unklug.


Tatsächlich zeigt die Forschung: Bewerber:innen 50+ werden trotz vergleichbarer Qualifikation systematisch aussortiert. Das ist nicht nur unfair – es ist wirtschaftlich riskant.


Studien zeigen, wie stark der Bias wirkt



Diese Studien belegen: Age Bias ist strukturell verankert – oft unsichtbar, aber wirksam.



Warum Age Diversity mehr ist als „Nice-to-have“


Altersgemischte Teams sind kein Luxus, sondern ein Erfolgsfaktor. Studien belegen, dass Unternehmen, die auf Age Diversity setzen, innovativer, resilienter und langfristig profitabler arbeiten. Erfahrung älterer Kolleg:innen wirkt wie ein Stabilitätsanker – gerade in unsicheren Zeiten.


Das bedeutet aber nicht, dass ältere Mitarbeitende „besser“ sind. Vielmehr entfaltet sich die Stärke, wenn Generationen zusammenarbeiten: die Dynamik und digitale Affinität Jüngerer mit der Erfahrung und Gelassenheit Älterer. Unternehmen, die auf diese Mischung verzichten, verzichten auf Synergie.


Oder anders gesagt: Wer Altersdiversität ignoriert, verliert doppelt – einerseits Talente, die dringend gebraucht würden, andererseits das Potenzial, Teams wirklich widerstandsfähig aufzustellen.



Wo Bias im Recruiting entsteht – und wie man ihn stoppt


Altersdiskriminierung im Recruiting passiert nicht an einer Stelle, sondern entlang der gesamten Candidate Journey.


Stellenanzeigen sind oft der erste Stolperstein. Formulierungen wie „junges, dynamisches Team“ oder „digital native“ wirken wie eine unsichtbare Schranke. Viele 50+ Bewerber:innen fühlen sich dadurch nicht angesprochen – und bewerben sich gar nicht erst. Hier hilft eine klare, inklusive Sprache, die Altersgruppen explizit einlädt, statt unbewusst auszuschliessen.


Auch im CV-Screening entstehen Verzerrungen. Abschlussjahre, lange Berufsjahre oder lineare Karriereanforderungen dienen oft als Proxy fürs Alter. Studien zeigen: Schon wenn Recruiter:innen das Alter anhand solcher Daten vermuten können, sinkt die Chance auf eine Einladung erheblich. Die Lösung liegt im „Skills-first“-Ansatz: Statt Jahreszahlen zählen konkrete Fähigkeiten, Tools und nachweisbare Ergebnisse.


Im Interviewprozess schliesslich spielen unbewusste Stereotype eine grosse Rolle. „Cultural Fit“ wird nicht selten als Deckmantel genutzt, um Ältere auszuschliessen („passt nicht ins junge Team“). Objektivere Kriterien helfen, diesen Bias einzudämmen: strukturierte Interviews mit standardisierten Fragen, klare Bewertungsmassstäbe und der Fokus auf „Cultural Add“ – also welchen Mehrwert jemand mitbringt, den das Team bisher nicht hat.


Und nicht zuletzt entscheidet auch die Zusammensetzung der Auswahlgremien darüber, wie Altersvielfalt bewertet wird.


Homogene Panels verstärken Bias, diverse Panels gleichen ihn aus. Das gilt für Geschlecht, Herkunft – und eben auch fürs Alter.

Wie Recruiter Fachbereiche überzeugen können


Viele Personalverantwortliche klammern sich an überholte Klischees. Recruiter:innen müssen deshalb Argumente liefern, die auf Business-Ziele einzahlen – nicht nur auf Fairness.


Ein häufiges Vorurteil ist: „Ältere sind zu teuer.“ Das lässt sich leicht entkräften: Fluktuation und Fehlbesetzungen sind deutlich teurer als ein erfahrener Mitarbeitender mit stabilem Profil.


Oder: „Ältere lernen nicht mehr.“ Hier zeigen Studien das Gegenteil: Lernfähigkeit hängt nicht am Alter, sondern an der Bereitschaft und an den Rahmenbedingungen. Wer Weiterbildungen auch 50+ Mitarbeitenden zugänglich macht, profitiert vom Transfer.


Und schliesslich: „Unsere Kund:innen wollen junge Teams.“ Fakt ist: Kund:innen wollen Lösungen – und die entstehen am besten in altersgemischten Teams, die unterschiedliche Perspektiven verbinden.


Recruiter:innen sollten diese Argumente aktiv ins Gespräch bringen und mit Best Practices untermauern: Erfolgsgeschichten von älteren Neueinstellungen, interne Beispiele für gelungene Altersdiversität oder Studien, die den wirtschaftlichen Nutzen belegen.



10 konkrete Schritte gegen Age Bias


  1. Altersinklusive Sprache in Stellenanzeigen.

  2. Skills-first-Ansatz statt Fokus auf Jahre und Stationen.

  3. Abschlussjahre nur dann anfordern, wenn wirklich relevant.

  4. Anonymisierte Screening-Tests, um Bias sichtbar zu machen.

  5. Strukturierte Interviews mit klaren Scorecards.

  6. Cultural Add statt Cultural Fit in den Vordergrund stellen.

  7. Altersgemischte Panels bei allen wichtigen Entscheidungen.

  8. Kennzahlen etablieren: Anteil 50+ entlang der Recruiting-Pipeline.

  9. Weiterbildung sichtbar machen – auch für ältere Mitarbeitende.

  10. Feedbacksysteme gegen Ageism einführen und ernst nehmen.



Was Bewerbende 50+ selbst tun können


Auch ältere Bewerber:innen können ihre Chancen steigern, ohne sich zu verbiegen. Wichtig ist, Kompetenzen sichtbar zu machen: Welche Skills sind aktuell, welche Projekte haben Ergebnisse geliefert? Aktualität durch neue Zertifikate oder Tools wirkt stärker als Jahrzehnte an Erfahrung.


Zudem sollten Lebenslauf-Lücken nicht verschwiegen, sondern aktiv gerahmt werden: Familienzeit kann Projektmanagement-Kompetenz verdeutlichen, Pflegephasen Organisationstalent und Resilienz. Am Ende des Tages sind ihre Möglichkeiten damit aber schon fast ausgeschöpft. Schliesslich lohnt es sich, Arbeitgeber kritisch zu prüfen: Welche Sprache nutzen sie in Stellenanzeigen? Werden altersgemischte Teams gezeigt? Gibt es Hinweise auf Weiterbildung für alle? Das sind Indikatoren, ob sich eine Bewerbung lohnt.



Alter darf kein Ausschlusskriterium sein


Die jüngsten Presseberichte machen es deutlich: Altersdiskriminierung im Recruiting ist keine Randerscheinung, sondern Alltag. Gleichzeitig zeigen Studien seit 2023 klar, wie gross das Potenzial altersdiverser Teams ist.


Unternehmen, die das Thema weiter ignorieren, verspielen Chancen – nicht nur im Recruiting, sondern auch in ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Wer Prozesse, Sprache und Kultur anpasst, erschliesst sich einen Talentpool, den andere übersehen – und baut Teams, die wirklich krisenfest sind.


Am Ende geht es nicht darum, ältere Bewerber:innen zu bevorzugen. Es geht darum, sie nicht systematisch zu benachteiligen. Wer das versteht, gewinnt – an Talent, an Erfahrung, an Glaubwürdigkeit.

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