Mal was Neues im Recruiting? Vorgehensmodell für eine erfolgreiche ATS-Auswahl
- Marcus

- 5. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Die Auswahl eines neuen Bewerbermanagementsystems (ATS) gehört zu den strategisch wichtigen Entscheidungen im HR. Ein ATS prägt nicht nur, wie Bewerbungen verwaltet werden, sondern auch, wie Kandidat:innen das Unternehmen erleben, wie effizient Recruiting-Teams arbeiten und wie gut Daten im Unternehmen integriert werden können.
Doch die Realität: Viele ATS-Einführungen scheitern an mangelnder Vorbereitung, unklaren Anforderungen oder unterschätzten Schnittstellenproblemen. Zeit also, den Prozess strukturiert anzugehen.

1. Vorbereitende Aktivitäten: Die Basis legen
Bevor Anbieter ins Spiel kommen, gilt es, die eigenen Hausaufgaben zu machen:
Ist-Analyse:
Welche Systeme, Tools und Workflows werden aktuell genutzt?
Wo liegen die grössten Pain Points? (z. B. langsame Prozesse, schlechte Candidate Experience, fehlende Analytics)
Zieldefinition:
Welche strategischen Ziele soll das ATS unterstützen? (z. B. bessere Candidate Experience, mehr Automatisierung, Diversity-Kennzahlen, Reporting für Management)
Was sind die „Must-haves“ und was die „Nice-to-haves“?
Budgetrahmen:
Welche Kosten sind realistisch (Lizenz, Implementierung, Wartung, Training)?
Gibt es Vorgaben vom Controlling oder IT?
Stakeholder-Analyse:
Wer muss unbedingt eingebunden werden? (Recruiting, HR-IT, Datenschutz, Fachbereiche, Betriebsrat)
Wer trifft am Ende die Entscheidung?
2. Schnittstellenmanagement: Beteiligte, Rollen, Stolpersteine
Ein ATS ist kein isoliertes Tool. Es sitzt im Zentrum zwischen HR, IT und oft Finance.
Wichtige Schnittstellen:
HRIS / ERP (z. B. SAP, Workday, Personio) → Stammdatenpflege
Payroll-System → Übergabe von Vertragsdaten
E-Mail & Kalender (Outlook, Google Workspace) → Interview-Scheduling, Mailversand, Reminder
Jobbörsen / Multiposting → automatisierte Ausschreibungen
Karriere-Website / CMS → Stellenanzeigen & Employer Branding
Analytics-Tools (PowerBI, Tableau) → Reporting
Typische Schwierigkeiten:
Unterschiedliche Prioritäten: IT will Standardisierung, HR Flexibilität.
Datenschutz: DSGVO-konforme Datenhaltung und Löschkonzepte müssen geprüft werden.
Verantwortlichkeiten: Wer pflegt Schnittstellen? Wer kümmert sich um Wartung?
Empfehlung:
Früh ein „ATS-Kernteam“ bilden:
HR/Recruiting (Anforderungsseite)
IT (Technologie & Schnittstellen)
Datenschutz (Compliance)
ggf. Betriebs-/Personalrat (Mitbestimmung)
Ausserdem lohnt es sich, sich frühzeitig Gedanken zu machen, wer Projektsponsor ist, wie ein Sounding Board und der Projektsteuerkreis besetzt werden sollte.
Schliesslich sollte man sich überlegen, ob man eine/n erfahrene/n Berater:in und Implementierungsexperten bzw. -expertin hinzuzieht. Das ist aus vielen Gründen sinnvoll. Durch das Hinzuziehen einer dritten Partei schafft man eine objektive Vermittlungsrolle zwischen Unternehmen und Anbieter und mit dem Know-how aus anderen Projekten wird der Ablauf effizienter und man vermeidet viele Fehler.
3. Evaluationskriterien: Worauf es wirklich ankommt
Nicht jedes ATS ist für jedes Unternehmen geeignet. Folgende Aspekte sollten bei der Bewertung eine Rolle spielen:
Funktionale Kriterien:
CV-Parsing, Matching, Automatisierung von Workflows
Multiposting, Schnittstellen zu Jobbörsen
Candidate Experience (Mobile-Optimierung, Self-Service-Portale)
Interviewplanung, Feedbackmanagement
Pipelining / Talent-relationship-Management
Zielgruppendifferenzierung (z.B. Ausbildungsrekrutierung)
Reporting & Analytics
Unterstützung für Diversity & Bias-Reduktion
Technologische Kriterien:
Cloud vs. On-Premise
API-Verfügbarkeit und Dokumentation
Integrationsfähigkeit mit bestehenden HR- und IT-Systemen
Sicherheitsstandards (ISO, DSGVO)
Organisatorische Kriterien:
Benutzerfreundlichkeit (UX für Recruiter & Hiring Manager)
Skalierbarkeit (passt das System auch in 5 Jahren noch?)
Verfügbarkeit von Support (lokal, 24/7, Sprache)
Community & Weiterentwicklung (Innovationskraft des Anbieters)
Wirtschaftliche Kriterien:
Lizenzmodell (User-basiert, Stellen-basiert, Flat-Fee)
Einmalige Implementierungskosten
Kosten für Customizing, Schnittstellen und Training
4. Grobe Checkliste: Schritte für eine saubere Auswahl
Vorbereitung:
Ist-Analyse abgeschlossen
Ziele & KPIs definiert
Stakeholder eingebunden, Projektbeteiligte definiert
Budgetrahmen geklärt
eventuell Implementierungsberatung eingekauft
Evaluation:
Marktanalyse mit 3–5 Shortlist-Anbietern
Demo-Sessions und Proof of Concept durchgeführt
Funktionskatalog abgeglichen (Muss/Kann-Kriterien)
Referenzen eingeholt
Implementierung:
Projektplan mit klaren Meilensteinen
Schnittstellenkonzept erstellt
Schulungen geplant
Change Management berücksichtigt
5. Fragenkatalog an Anbieter
Ein strukturierter Fragenkatalog hilft geeignete Lösungen zu identifizieren und verhindert, dass man nach einer schicken Demo eine Fehlentscheidung trifft. Hier eine Auswahl:
Features & Funktionalität
Welche Automatisierungen unterstützt das System konkret?
Gibt es ein integriertes Multiposting-Tool?
Welche Funktionen verbessern die Candidate Experience?
Technologie
Ist das System Cloud-basiert oder On-Premise?
Welche APIs stehen zur Verfügung?
Welche Standards für IT-Security werden erfüllt?
Schnittstellen
Welche Integrationen zu HRIS/ERP-Systemen existieren out-of-the-box?
Wie aufwendig ist es, eigene Schnittstellen zu bauen?
Gibt es Erfahrungen mit [konkreten Systemen des Unternehmens einsetzen]?
Lizenz & Kosten
Wie wird lizenziert (User, Stellen, Flatrate)?
Welche Einmal-Kosten entstehen (Setup, Implementierung, Customizing)?
Welche Supportmodelle sind enthalten, was kostet extra?
Anbieter & Weiterentwicklung
Wie lange ist das Produkt am Markt?
Welche Kunden (ähnliche Grösse/Branche) setzen es ein?
Wie sieht die Roadmap für die nächsten 2 Jahre aus?
Das ist aber nur eine kleine Auswahl relevanter Fragestellungen und auch viel zu oberflächlich - was genau wichtig ist, sieht bei jedem Unternehmen anders aus.
Alles, aber sicher nicht mal eben schnell gemacht...
Die Auswahl eines neuen ATS ist kein IT-Projekt – es ist ein Business-Projekt mit grossem Einfluss auf Recruiting, Employer Branding und Candidate Experience.
Wer die Vorarbeit sauber macht, Stakeholder rechtzeitig einbindet und systematisch evaluiert, minimiert das Risiko von Fehlentscheidungen.
Am Ende geht es nicht darum, das „beste“ System zu finden – sondern das, das am besten zur eigenen Organisation passt.








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