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Agentic AI in Recruiting und Employer Branding: Smarter Helfer oder unkontrollierbarer Autopilot?

  • Autorenbild: Marcus
    Marcus
  • 14. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

KI im Recruiting ist längst keine Science-Fiction mehr. CV-Screening, Chatbots, Matching-Tools – alles schon da. Doch was jetzt anrollt, ist eine andere Liga: Agentic AI.


Das ist nicht mehr die kleine KI, die brav Fragen beantwortet. Sondern eher wie ein Kollege, der selbst losläuft, Pläne macht, Tools einspannt und dir am Ende einen „fertigen Prozess“ serviert. Klingt nach Traum? Oder eher nach „Oje, das Ding trifft Entscheidungen, ohne mich zu fragen“?


Genau das ist die Frage: Wird Agentic AI Recruiting und Employer Branding endlich effizient machen – oder neue Bias-Fallen öffnen und das Arbeitgeberimage zerschiessen?


Hasta la vista, TA...
Hasta la vista, TA...


Was Agentic AI wirklich bedeutet (und warum es anders ist als ChatGPT & Co.)


Stell dir ChatGPT als cleveren Praktikanten vor: Du musst ihm alles erklären, er liefert dann eine Antwort. Oder sie, natürlich.


Agentic AI dagegen ist wie ein hyperaktiver Projektmanager: Sie setzt sich selbst Aufgaben, nutzt Tools, macht drei Schritte nacheinander – und fragt nicht immer nach deiner Meinung.


Im Recruiting kann das heissen:


  • Sie scannt Bewerbungen,

  • checkt Verfügbarkeiten,

  • schickt Termin-Einladungen raus,

  • beantwortet Bewerberfragen im Chat,

  • und postet zwischendurch noch ein Karriere-Update auf LinkedIn.


Alles ohne, dass du ständig danebenstehst. Beeindruckend? Ja. Aber auch gefährlich.



Chancen: Wo Agentic AI glänzen kann


1. Turbo im Recruiting-Alltag

Lebensläufe sortieren, Terminkalender jonglieren, Rückmeldungen schreiben – alles nervtötend und zeitfressend. Agenten nehmen dir das ab. Recruiter:innen haben plötzlich Zeit für das, wofür sie eigentlich da sind: Menschen verstehen, Teams beraten, Kultur erklären.


2. Candidate Experience mit Glanz

Das, was Bewerber:innen hassen, fällt weg: Funkstille. Endlose Wartezeit. Generische Absagen. Stattdessen: schnelle Antworten, klare Infos, personalisierte Nachrichten. Selbst eine Absage wirkt weniger bitter, wenn sie wertschätzend und transparent kommt.


3. Employer Branding auf Speed

Agenten können Bewertungen auf Kununu oder Glassdoor scannen, passende Antworten vorschlagen und Social-Media-Posts erstellen, die nicht nach Copy-Paste klingen. Das ist, als hättest du ein Team von Mini-PR-Beratern, die 24/7 wach sind.


4. Daten statt Bauchgefühl

Agenten erkennen Muster: Welche Fragen Bewerber:innen immer wieder stellen, welche Inhalte auf Karriereseiten fehlen, welche Phasen im Prozess frustrieren. Damit wird Employer Branding messbarer.



Risiken: Wo Agentic AI alles gegen die Wand fahren kann


1. Bias – diesmal unsichtbarer

KI lernt aus Daten. Wenn in den alten Daten weniger Frauen, Ältere oder Quereinsteiger:innen eingestellt wurden, übernimmt das System dieses Muster. Nur: Agentic AI macht das nicht nur beim Screening, sondern auch beim Content.


Ergebnis: nicht nur Shortlists voller „Kopien“ der bisherigen Belegschaft, sondern auch Karriereposts, die subtil wieder dieselben Klischees bedienen. Vielfalt ade.


2. Kontrollverlust

Wenn ein Agent Entscheidungen über mehrere Schritte hinweg trifft, verliert man schnell den Überblick. Warum hat Kandidat A eine Einladung bekommen, Kandidat B aber nicht? Warum wurde ein Post veröffentlicht, der niemand abgesegnet hat?


3. Image-Katastrophen

Employer Branding lebt von Glaubwürdigkeit. Ein falscher Ton in einer automatisierten Absage oder ein peinlicher Bot-Post auf LinkedIn – und schon ist der Schaden grösser als der Nutzen. In Zeiten, wo Screenshots auf Twitter & Co. viral gehen, reicht ein Ausrutscher.


4. Datenschutz als Stolperfalle

Bewerberdaten sind sensibel. Wenn ein Agent damit „jongliert“ und niemand klar regelt, wie sie gespeichert und genutzt werden, landet man schnell im rechtlichen Minenfeld.



Recruiting + Employer Branding: Zwei Seiten derselben Medaille


Früher war es einfach: Recruiting füllt Stellen, Employer Branding macht Hochglanz-Videos. Heute ist alles verknüpft. Jede Antwort im Bewerbungsprozess ist Employer Branding. Jede Absage-Mail prägt das Bild vom Unternehmen.


Agentic AI verschärft diese Verknüpfung:


  • Schnelle, wertschätzende Kommunikation? → Pluspunkte fürs Branding.

  • Kühle, fehlerhafte Bot-Mails? → Shitstorm-Gefahr.


Kurz gesagt: Agentic AI ist kein Tool, das man mal eben im HR-Keller laufen lässt. Es wirkt direkt auf die Marke.



Wie HR- und Kommunikationsteams Agentic AI bändigen können


1. Klein anfangen

Testet Agenten erst bei klaren, risikoarmen Aufgaben: Interview-Scheduling oder FAQ-Chat. Nicht gleich mit automatisierten Social-Media-Posts starten.


2. Mensch bleibt im Loop

Agenten dürfen nicht alles allein entscheiden. Shortlists, öffentliche Kommunikation, finale Absagen: Hier braucht es menschliches Augenmass.


3. Bias-Checken, nicht hoffen

Setzt Tools wie Fairlearn oder AI Fairness 360 ein. Lasst regelmäßig prüfen, ob bestimmte Gruppen systematisch durchs Raster fallen.


4. Branding-Guidelines für Bots

Legt fest: In welchem Ton spricht unser Agent? Welche Themen sind tabu? Wer gibt im Zweifel das letzte Okay? Ohne Leitplanken wird’s schnell peinlich.


5. Feedback einholen

Fragt Kandidat:innen: „Wie habt ihr die Kommunikation erlebt?“ Fragt Bewerber:innen nach Interviews: „War die KI-Interaktion hilfreich oder frustrierend?“


6. Gemeinsames Ownership

Agentic AI ist kein reines IT- oder HR-Thema. Recruiting, Employer Branding und Kommunikation müssen zusammenarbeiten. Nur so bleiben Prozesse konsistent.



Beispiele: Wenn es gut läuft – und wenn nicht


  • Das Negativbeispiel Amazon (2018): Ein Recruiting-Tool sortierte Bewerbungen von Frauen systematisch aus. Der Imageschaden war gigantisch – nicht nur fürs Recruiting, sondern für die gesamte Arbeitgebermarke.

  • Der Autopilot-Post: Erste Unternehmen nutzten Agenten, um Social-Media-Beiträge automatisiert zu posten. Ergebnis: Copy-Paste-Sätze, die nach Roboter und nicht als Arbeitgeber klingen. Das Internet lacht darüber.

  • Das Positivbeispiel: Unternehmen, die offenlegen, wie sie KI nutzen („Wir setzen AI-Agenten ein, um euch schneller Feedback zu geben“), gewinnen Vertrauen. Transparenz macht Technologie sympathisch.



Fazit: Nutze es als Helfer, mach es nicht zum Herrscher


Agentic AI ist gekommen, um zu bleiben. Sie kann Recruiting revolutionieren, Prozesse beschleunigen und Employer Branding auf ein neues Level heben. Aber: Sie ist kein Selbstläufer.


Wer glaubt, man könne alles dem Autopiloten überlassen, landet im Bias-Sumpf oder ruiniert seine Marke.


Die richtige Haltung ist:


  • KI als smarter Helfer nutzen.

  • Menschen die kritische Entscheidungen überlassen.

  • Bias aktiv prüfen, nicht passiv hoffen.

  • Employer Branding und Recruiting gemeinsam denken.


Dann wird Agentic AI nicht zum Risiko, sondern zum Gamechanger.

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